Messerverbotszonen
Welche Messer dürfen in Waffenverbotszonen geführt werden?
In Waffenverbotszonen, die nach § 42a Abs. 6 WaffG erreichtet wurden, dürfen alle Taschenmesser ohne Klingenverriegelung, unabhängig ihrer Klingenlänge, von jedem Bürger auch innerhalb einer Waffenverbotszone mitgeführt werden. Das umfasst im Wesentlichen die Bauformen Slip Joint und Friction Folder. Außerdem dürfen alle Messer getragen werden, deren Klingenlänge vier Zentimeter nicht übersteigt und deren Klinge nicht einhändig feststellbar ist.
Diese Vorschriften führen bei genauerem Hinsehen zu erstaunlichen Ergebnissen. Zukünftig darf jedermann und jederfrau mit einem Rasiermesser durch eine Waffenverbotszone marschieren, denn technisch gesehen ist das Rasiermesser ein Friction Folder, dessen Klinge sich nicht mechanisch feststellen lässt. Ein Multitool, das unter anderem mit einer einhändig feststellbaren Klinge ausgestattet ist, darf hingegen nur in einem abgeschlossenen Behältnis durch die Waffenverbotszone transportiert werden.
Bei Messern mit feststehender Klinge gibt es in Waffenverbotszonen nur das Kriterium der limitierten Klingenlänge. Es wird zukünftig also möglich sein, sowohl einen Kartonschneider wie auch ein Teppichmesser mit Hakenklinge innerhalb einer Waffenverbotszone legal zu führen. Brotzeitmesser, Apfelschäler, Angler- oder Rettungsmesser werden hingegen verboten sein.
Nutzlose und durchaus nicht ungefährliche Messer sind zukünftig in Waffenverbotszonen erlaubt, alltagstaugliche und weit weniger gefährliche Messer werden verboten. Der Schildbürgerstreich ist offensichtlich!
Gibt es Ausnahmen vom Messerverbot in Waffenverbotszonen nach § 42a Abs. 6 WaffG?
Ja, und das ist neu in Deutschland. Bisher gab es für niemanden eine Ausnahme, noch nicht einmal für Polizisten und Soldaten außerhalb der Dienstzeit. Das neue Waffengesetz kennt insgesamt sechs unterschiedliche Ausnahmefälle, die allerdings unterschiedlich präzise formuliert sind und daher von „rechtssicher“ bis „würfeln wir mal“ reichen.
Im Waffengesetz wird von einem „berechtigten Interesse“ bei der Ausnahme von einem Verbot gesprochen. Wer also ein berechtigtes Interesse geltend machen kann, darf alle Messer in einer Waffenverbotszone legal führen, die er auch außerhalb dieser Zone legal führen darf. Selbstverständlich gibt es keine rechtssichere Definition des Begriffs „berechtigtes Interesse“, daher kann jeder Polizist, Staatsanwalt oder Richter nach freiem Ermessen entscheiden, ob er einen Ausnahmegrund anerkennt oder nicht.
Ausnahme 1: Waffenrechtliche Erlaubnis
Jede waffenrechtliche Erlaubnis führt dazu, dass ein Inhaber eines Waffenscheins, einer Waffenbesitzkarte oder eines kleinen Waffenscheins ohne weitere Begründung ein berechtigtes Interesse zum Führen eines §42a WaffG konformen Messer in einer Waffenverbotszone besitzt.
Für Mitglieder dieser Personengruppe ändert sich im Hinblick auf das Führen von Messern praktisch nichts, denn die Regelungen außerhalb und innerhalb einer Waffenverbotszone sind für die Inhaber von WS, WBK und KWS identisch.
Eine Änderung ergibt sich am Rande: Wer ein Messer aufgrund des Vorhandenseins einer waffenrechtlichen Genehmigung mitführt, ist nicht nur verpflichtet, die Genehmigung selbst mitzuführen, er oder sie muss zusätzlich seinen Personalausweis oder Reisepass mitführen. Die Verpflichtung ein gültiges Personaldokument mitzuführen ergibt sich aus § 38, Absatz 1, Punkt 1(a), WaffG (Ausweispflichten).
Die Ausweispflicht besteht auch jetzt bereits, wenn man eine durch den kleinen Waffenschein genehmigte Schreckschuss- bzw. Gaspistole oder ein RSG führt. Die Veränderung durch die Anwendung dieser Vorschrift liegt etwas verborgen im Detail: Da Messer im §38 WaffG nicht explizit erwähnt werden, sind Messer automatisch unter dem Oberbegriff „Waffe“ erfasst. Vom Mantra „Messer sind Werkzeuge“ wird man sich spätestens mit Inkrafttreten der Änderungen am Waffengesetz wohl endgültig verabschieden dürfen.
Das „berechtigte Interesse“ für (mehrfach) sicherheitsüberprüfte Inhaber von WS, WBK und KWS führt unweigerlich zur Frage, warum Messer mit zwölf Zentimeter Klinge in Händen dieser Personen keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, Messer mit vierzehn Zentimeter Klinge hingegen schon. An dieser Stelle ist die Forderung legitim, alle zurzeit in Deutschland verbotenen Messer, Bauformen, Klingenlängen und Öffnungsmechanismen unverzüglich für diese Personengruppe freizugeben.
Ausnahme 2: Anwohner, Anlieger, Anlieferverkehr
In diesem Anschnitt wird es spannend! Während in der Umgangssprache die Begriffe „Anwohner“ und „Anlieger“ oft synonym verwendet werden, gibt es im juristischen Gebrauch deutliche Unterschiede. Der Anwohner ist eindeutig: Eine Person ist innerhalb eines bestimmten Gebietes polizeilich gemeldet.
Anlieger sind alle Bewohner von Häusern und Wohnungen in diesem Gebiet, Besucher dieser Bewohner und ihre Lieferanten. Auch Hotelgäste, Inhaber und Mitarbeiter von Geschäften, Büros, Praxen oder Kanzleien sowie deren Kunden, Patienten oder Mandanten sind Anlieger. Als Anlieger gelten, gemäß aktueller Rechtsprechung beim Anliegerparken, sogar Personen, die Besucher von Anliegern mit dem Auto abholen.
Was folgt daraus? Jeder Bürger und natürlich auch jedes Clan-Mitglied ist immer und überall Anlieger. Geht also eine Person mit einem zwölf Zentimeter langen Jagdmesser in eine Waffenverbotszone, wird diese Person zum Anlieger, wenn sie bei einer Kontrolle angibt, sich dort ein Döner kaufen zu wollen oder eine Sisha Bar zu besuchen. Auch Reisende sind weitgehend außen vor, denn natürlich machen auch Besuche in Museen oder öffentlichen Parks die Personen zu Anliegern.
Dass es die Ausnahme des „Anliegers“ endgültig ins Waffengesetz geschafft hat, war beim Inkrafttreten des Gesetzes eine kleine Überraschung. Ob diese Ausnahmeregelung dauerhaft im Waffengesetz verbleibt, wird man abwarten müssen.
An dieser Stelle zeigt sich das ganze Dilemma der verdrehten Waffenverbotszonen-Gedankenwelt: Mit der Ausnahmeregelung für Anlieger werden Waffenverbotszonen zum Papiertiger, ohne die Ausnahmen werden Waffenverbotszonen zum Serienkiller für Wirtschaft, Handwerk und Gastronomie.
Ausnahme 3: Gewerbetreibende und ihre Mitarbeiter
Genau genommen sind beide Personengruppen bereits mit der Anliegerregelung erfasst. Dass sie trotzdem noch einmal explizit genannt werden, zeigt zwei Dinge. Einerseits ist der Gesetzgeber bemüht, mit seinen Waffenverbotszonen nicht den regionalen Handel und das öffentliche Leben zu massakrieren, anderseits wird deutlich, dass das neue Waffengesetz mit heißer Nadel gestrickt und nicht vom Ende her gedacht ist.
Sei‘s drum! Wer innerhalb einer Waffenverbotszone ein stationäres (Ladengeschäft) oder mobiles Gewerbe betreibt (z. B. Dachdecker, Glaser), ist einschließlich seiner Mitarbeiter vor den Verbotsbestimmungen der Waffenverbotszone geschützt.
Ausnahme 4: Brauchtumspflege und Sport
Die Ausnahmeregelung für die „Brauchtumspflege“ wurde 2008 auf Antrag Bayerns in das Waffengesetz aufgenommen, da die Gefahr drohte, dass zu Trachten gehörige Messer zukünftig auf Volksfesten und ähnlichen Veranstaltungen verboten sein könnten. Die Brauchtumspflege gilt natürlich ebenso für Angehörige anderer Kulturen und Religionen, die problemlos durchsetzen werden, dass sie ihre traditionellen Messer auch weiterhin tragen dürfen.
Ausnahme 5: Transport von Messern und Werkzeugen
Wer kein Anlieger ist, keine WBK hat und auch keine religiösen Gründe für das Führen eines Messers geltend machen kann, muss sein Messer „nicht zugriffsbereit“ transportieren. Also in einem Behältnis. Ob dieses Behältnis verschlossen (Rucksack mit Reißverschluss) oder abgeschlossen (durch ein Schloss gesichert) sein muss, wurde weder im alten noch im aktuellen Waffengesetz definiert. Hinsichtlich der Frage, was ein verschlossenes Behältnis ist, existieren 2021 widersprüchliche Urteile verschiedener Gerichte. Auf der sicheren Seite ist ein Messerbesitzer nur, wenn sich das Messer in einem Behältnis befindet, das mit einem Schloss gesichert ist.
Ausnahme 6: Legitimiert durch Hausrecht
Präzise betrachtet greift schon wieder die Anliegererlaubnis. Trotzdem wird noch einmal betont, dass auch eine Person ein Messer führen darf, wenn es im Rahmen der Berufsausübung oder übertragener Aufgaben geschieht. Dazu könnte man den Gebrauch von Messern durch die Mitarbeiter eines Imbisses und ähnlich gelagerte Fälle zählen.